OECD-Beschwerde: BMW und Jaguar Land Rovers Verbindungen zu illegaler Abholzung in unkontaktiertem Gebiet rücken in den Fokus

14 Dezember 2022

© Gerald Henzinger/Survival

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Survival International hat gegen einen großen Leder-Zulieferer der Autoindustrie eine Beschwerde bei der OECD eingereicht. Grund ist die illegale Abholzung in dem Gebiet eines der am stärksten gefährdeten unkontaktierten Völker der Welt.

Das italienische Unternehmen Pasubio bezieht Leder aus Betrieben, die von Farmer*innen beliefert werden, die in das Gebiet von unkontaktierten Ayoreo in Paraguay eindringen und ihr Land zerstören. Diese Gruppe von Ayoreo sind das letzte unkontaktierte Volk in Südamerika außerhalb des Amazonas-Gebiets.

Diese Verbindung ist der Kern der formellen Beschwerde gegen Pasubio, die heute von Survival International im Einvernehmen mit kontaktierten Ayoreo bei der nationalen OECD-Kontaktstelle in Italien unter den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen eingereicht wurde.

Die deutschen Autohersteller BMW und Porsche sowie Jaguar Land Rover beziehen Leder von Pasubio für die Innenausstattung, die Sitze und die Lenkräder ihrer hochpreisigen Modelle. Die OECD-Beschwerde dürfte mit dem im Januar in Kraft tretenden Lieferkettengesetz zusätzliche Brisanz für die deutschen Autohersteller erhalten.

Zuerst deckte eine Untersuchung von Earthsight die Verbindung zwischen dem für die Autoindustrie bestimmten Leder und der illegalen Zerstörung des Waldes der Ayoreo auf. In zwei Berichten namens „Grand Theft Chaco“ enthüllte Earthsight, dass fast zwei Drittel der aus Paraguay exportierten Tierhäute an italienische Unternehmen gehen – vor allem an Pasubio und schlussendlich an die Autohersteller.

Knapp 90 % des Jahresumsatzes von Pasubio werden in Europa erwirtschaftet, wo viele Produzent*innen von Luxus-Autos ihren Sitz haben.

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In der gestern eingereichten Beschwerde wird dargelegt, dass Pasubio gegen mehrere Grundsätze der OECD-Leitsätze verstoßen hat, u. a. gegen die Grundsätze zur Offenlegung von Informationen (III), zu den Menschenrechten (IV), zum Umweltschutz (VI) und zu den Verbraucherinteressen (VIII). Es wird gefordert, dass das Unternehmen die Einfuhr von Tierhäuten aus Gerbereien einstellt, die einen wesentlichen Teil zur Abholzung des Ayoreo-Waldes beitragen.

Tagüide Picanerai, ein Angehöriger der Ayoreo-Totobiegosode, sagte: „Die negative Auswirkung der Fleisch- und Lederproduktion ist die Abholzung der Wälder und die Folgen für die Menschen vor Ort (…). Leder ist so etwas wie ein versteckter Code der Rinderzucht, der nicht beachtet wird, weil man nur auf das Fleisch schaut, der aber für die Menschen vor Ort von großer Bedeutung ist. Diejenigen, die die Kühe züchten, und diejenigen, die sie exportieren und in Europa verkaufen, profitieren davon, aber hier wird der Wald abgeholzt, und die Ayoreo-Bevölkerung leidet darunter.“

Survival-Mitarbeiterin Teresa Mayo sagte heute: „Die paraguayische Regierung hat den größten Teil des angestammten Territoriums der Ayoreo Agrarunternehmen überlassen, die den Wald unbarmherzig abholzen: Zuerst fällen sie die wertvollen Harthölzer, anschließend setzen sie den restlichen Wald in Brand und schließlich lassen sie Vieh auf dem gerodeten Land weiden. Die Ayoreo fürchten den Verlust ihrer Lebensgrundlage, ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit und sogar ihres Lebens. Doch sie sind fest entschlossen, für ihr Überleben zu kämpfen – zusammen mit ihren unkontaktierten Verwandten, die auf der Flucht vor den Bulldozern in immer kleiner werdenden Waldinseln leben müssen.“

Francesca Casella, Geschäftsführerin von Survival International Italien, sagte heute: „Die Nachfrage nach Autoleder wird Prognosen zufolge bis 2027 um mehr als 5 % pro Jahr steigen. Abnehmer*innen und Endverbraucher*innen müssen sich dessen bewusst sein. Italien hat als der weltweit größte Abnehmer von paraguayischem Leder die Macht und die Verantwortung einzugreifen, indem es die Geschäfte mit Rinderfarmer*innen stoppt, die illegal auf indigenem Land mit der Duldung von korrupten Politiker*innen und Beamt*innen arbeiten

Hinweise an die Redaktion:

- Die Ayoreo zählen mehr als 5.000 Mitglieder und leben in Paraguay sowie Bolivien. Bei der vorliegenden Beschwerde geht es um eine Untergruppe, die Ayoreo-Totobiegosode. Die meisten Ayoreo-Totobiegosode sind kontaktiert und leben in sesshaften Gemeinschaften in Paraguay, aber einige sind weiterhin unkontaktiert.

- Seit die Ayoreo-Totobiegosode 1993 einen formellen Landanspruch bei der Regierung einreichten, kämpfen sie für die Rückgabe ihres angestammten Landes.

- Im Jahr 2001 erkannte die paraguayische Regierung ein 550.000 Hektar großes Gebiet in der Provinz Alto Paraguay offiziell als „Natur- und Kulturerbe der Ayoreo Totobiegosode (PNCAT)“ an. Bis heute haben die Behörden jedoch nur einige zehntausend Hektar Land an die Ayoreo übertragen und verstoßen weiterhin sowohl gegen die Verfügung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) über das Gebiet als auch gegen die 2018 vom Nationalen Forstwirtschaftsinstitut (INFONA) erlassenen Beschlüsse, die jegliche Abholzung in dem Gebiet verbieten.

- Paraguays Fleisch und Tierhäute sind gemessen am Gewicht vermutlich für mehr Entwaldung verantwortlich als jeder andere Rohstoff auf der Erde.

- Der paraguayische Chaco-Wald hat eine der höchsten Abholzungsraten der Erde.

- Eine Auswahl der Antworten der Autofirmen finden Sie hier.

Ayoreo
Indigenes Volk

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