„Wir sind für unsere Kinder da“
Von den grünen Tiefen des Amazonas bis zu den vereisten Flächen der arktischen Tundra, lernen Kindern in indigenen Gesellschaften die Kenntnisse und Werte um zu Überleben.
In der Mongolei lernen Tsaatan-Kinder die alten Herdenkünste ihrer Eltern, indem sie Rentiere auf den Weiden einzäunen müssen.
Indigene Kinder sind die Erben ihrer Gebiete, Sprachen und einzigartigen Sichten auf die Welt; sie sind menschliche Fundgruben des Wissens ihrer Vorfahren. Da sie üblicherweise in Gemeinden aufwachsen, in denen Solidarität für das Überleben unverzichtbar ist, lernen die Kindern, dass es im Leben um das “wir” geht, nicht um das “ich”- und um das Gleichgewicht mit der Umwelt.
© Livia Monami/Survival
Mit Spielzeugbogen und Pfeilen lernen Buschleute-Jungen Ratten und kleine Vögel zu jagen. Sie lernen Hasen zu töten und Decken aus Spießbockfell zu machen. Mädchen lernen manchmal schon ab dem fünften Lebensjahr ihren Müttern beim Sammeln von Pflanzen, Beeren und Knollen zu helfen. Kinder lernen gleichzeitig mutig und bescheiden zu sein, und dass Großzügigkeit bewundernswert ist – im Gegensatz zu Egoismus.
Nach den Zwangsvertreibungen von ihren Jagdgebieten im Central Kalahari Game Reserve (CKGR), leben heute viele Buschleute-Kinder in armseligen Flüchtlingslagern. Sie nennen die Lager “Todesorte”, in denen AIDS weitverbreitet ist und in denen ein Leben ohne Jagd und ihre Bräuche zu Depression und Alkoholismus führt.
“Wir fühlen uns, als wären wir in den Abfall geschmissen worden,” sagte ein Angehöriger der Buschleute.
© Lottie Davies/Survival
Wie andere indigene Kinder, lernen die jungen Moken durch Erfahrung und Beobachtung die Natur zu verstehen. Sie haben die einzigartige Fähigkeit entwickelt unter Wasser scharf zu sehen, um auf dem Meeresboden Nahrung zu suchen.
Die Zahl der Moken, die als Halbnomaden leben, ist in den letzten Jahren stark gesunken. Grund dafür sind neue Regulierungen, Ölbohrungen vor der Küste und Regierungen, die das Land der Moken für Tourismus und industrielle Fischerei rauben. Viele haben keine andere Wahl gehabt, als Festlanddörfer zu besiedeln. Für Erwachsene wird es in dieser Situation immer schwieriger, ihre jahrhundertealten Bräuche und Fähigkeiten an ihre Kinder weiterzugeben.
© Andrew Testa / www.andrewtesta.co.uk
Unter einem grauen Himmel, inmitten der grünen und stacheligen Pflanzen des äthiopischen Omo-Tals, trägt ein Junge des Bodi-Volkes seine Ziege.
Die Völker, die am Unterlauf des Omo-Flusses leben, haben landwirtschaftliche Methoden entwickelt, die genau auf die Überschwemmungszyklen des Omo angepasst sind. Sie nutzen den reichhaltigen Silt, den das zurückweichende Wasser am Flussufer hinterlässt, um eine Vielfalt von Pflanzen anzubauen.
Jungen lernen das Viehzüchten von klein auf. Bodi-Kinder lernen beispielsweise ihren liebsten Kühen Gedichte vorzusingen. Mädchen helfen meist beim Feldbau.
Der lebensspendende Fluss ist heute wegen staatlich genehmigten Entwicklungsmaßnahmen, darunter Afrikas höchstes Wasserkraftwerk, in Gefahr. Durch dieses Projekt werden die Völker den Silt für ihren Anbau verlieren.
© J
Yanomami-Jungen lernen Tierspuren zu “lesen”, Pflanzensaft als Gift zu nutzen und an Bäumen hochzuklettern, indem sie ihre Füße mit Lianenranken zusammenbinden. Mädchen helfen ihren Müttern Pflanzen wie Maniok in ihren Gärten anzubauen, Wasser vom Fluss zu holen und im Gemeinschaftshaus yano zu kochen. Allen Kindern wird beigebracht, dass das Teilen ein wichtiger Grundsatz des Soziallebens ist, und dass Gemeinschaftsentscheidungen mit Konsens getroffen werden.
Heute arbeiten Hunderte von Goldgräbern illegal auf dem Land der Yanomami. Sie bringen Malaria und verschmutzen Flüsse und Wald mit Quecksilber. David Kopenawa kämpft für die Rechte seines Volkes; sein Ziel ist es, dass Yanomami-Kinder in einem unverschmutzten Wald aufwachsen können und nicht mit eingeschleppten Krankheiten kämpfen müssen.
© Claudia Andujar/Survival
Bis in die 1960er Jahre lebten fast alle Penan als Nomaden und zogen auf der Suche nach Früchten und Tieren durch die Wälder. Heute sind die meisten der circa 10.000 Penan sesshaft und leben an Flüssen, wo Mangelernährung, Krankheiten und Analphabetismus die Regel sind. Doch sowohl für die sesshaften als auch für die nomadischen Penan, ist der Regenwald noch immer zentraler Teil ihres Lebens.
Seit den 1970er Jahren wird das angestammte Land der Penan planiert und verbrannt, um Platz zu schaffen für große Holzunternehmen, Ölpalmenplantagen, Gasförderung und Staudämme.
Den Kindern der Penan droht eine Zukunft in Armut, wenn die malaysische Regierung nicht die “Entwicklungsprojekte” stoppt, die auf dem Land der Penan ohne deren Zustimmung durchgeführt werden.
© Andy Rain/Survival
Die endlose Abholzung im Bundesstaat Mato Grosso do Sul im südlichen Brasilien hat das angestammte Land der Guarani-Indianer in eine trockene, entwaldete Fläche für Viehzüchter, Sojafelder und Zuckerrohrplantagen verwandelt. “Ich will, dass die Kinder wieder so sind wie früher, als noch alles in Ordnung war”, sagt ein Krankenpfleger der Guarani.
Viele Guarani leben heute unter schrecklichen Bedingungen in überfüllten Schutzgebieten oder provisorischen Hütten am Straßenrand. Sie haben in den letzten 100 Jahren fast all ihr Land verloren. Nun bleibt ihnen kaum genug Boden, um Lebensmittel anzubauen. Ihre Kinder leiden an Mangelernährung, an deren Folgen allein zwischen 2003 und 2008 Berichten zufolge 80 Guarani-Kinder starben.
© João Ripper/Survival
Sie bewegen sich nachts durch den Amazonas-Regenwald, in der Hand Fackeln aus Naturharz. Sie sind die Awá-Indianer, eines der letzten zwei indigenen Völker Brasiliens, das als nomadische Jäger und Sammler lebt.
Heute rückt die Bedrohung durch Holzfäller, Siedler und Viehzüchter immer näher an die Awá heran. Satellitenaufnahmen zeigen, dass in einem ihrer Gebiete schon über 30 % des Regenwaldes zerstört wurden.
Alle Aspekte ihres Lebens hängen mit dem Wald zusammen – Essen, Unterkunft und geistiges Wohlbefinden. Mit der Zerstörung ihrer Heimat sind auch die Kinder der Awá ernsthaft bedroht.
© Domenico Pugliese
In den 1950er und 1960er Jahren wurden die Innu von der Regierung und der katholischen Kirche in Siedlungen sesshaft gemacht. Die Enteignung ihres angestammten Landes brachte den Innu Arbeitslosigkeit und chronische Krankheiten wie Diabetes. Die Selbstmordrate der Innu erreicht Rekordniveau und Innu-Kinder schnüffeln häufig Benzin.
“Es gibt einem das Gefühl, sich dafür schämen zu müssen, Innu zu sein”, sagen junge Innu wenn man sie danach fragt, wie sie ihr Leben in den Siedlungen finden.
© Dominick Tyler
Ein Dongria Kondh zu sein bedeutet in den Niyamgiri-Bergen im indischen Bundesstaat Orissa zu leben. Für das britische Unternehmen Vedanta Resources bedeuten die Niyamgiri-Berge ein Bauxit-Vorkommen mit einem geschätzten Wert von 2 Milliarden US-Dollar. Das Vorkommen liegt unter einem Berg, den die Dongria als Gott verehren.
“Wohin werden wir Kinder gehen? Wie werden wir überleben?” reflektiert ein junger Dongria Kondh über die Möglichkeit, sein Zuhause verlassen zu müssen. “Nein, wir werden nicht aufgeben. Wir werden unseren Berg nicht aufgeben!”
© Jason Taylor/Survival
Kindern indigener Völker verdienen das Recht auf eine Welt, in der sie frei auf ihrem Land und nach ihren Wünschen leben dürfen. Diese Welt beginnt mit der Anerkennung zwei ihrer grundlegenden Menschenrechte: das Recht auf Land und das Recht auf Selbstbestimmung.
Das Bild zeigt Aborigine-Kinder beim Spielen, Pitjantjatjara, Australien.
© Alastair McNaughton/www.desertimages.com.au