CO2-Zertifikate: Bericht enthüllt gravierende Mängel bei Vorzeigeprojekt auf indigenem Land in Kenia

16 März 2023

Die Hirt*innenvölker in Kenia leben nomadisch, versorgen sich selbst und sind sehr erfolgreich darin, unter Bedingungen zu leben, die für viele andere Gesellschaften eine Herausforderung darstellen würden. Das NRT-Projekt setzt all das aufs Spiel. © Beckwith & Fisher

in neuer Bericht, der heute von Survival International veröffentlicht wurde, offenbart gravierende Mängel in einem Vorzeigeprojekt für CO2-Zertifikate, zu dessen Kund*innen auch Meta (ehemals Facebook) und Netflix gehören.

Der Bericht „Blutiges CO2: Wie ein CO2-Kompensationsprojekt Millionen mit indigenem Land in Nordkenia verdient“ untersucht das Northern Kenya Grassland Carbon Project, das vom Northern Rangelands Trust (NRT) in einem Gebiet betrieben wird, in dem mehr als Hunderttausend indigene Samburu, Borana und Rendille leben.

Das Projekt könnte etwa 300-500 Millionen US-Dollar einbringen, möglicherweise sogar noch mehr.

Die zentralen Erkenntnisse des Berichts lauten:

- Das Projekt zielt darauf ab, die seit langem bestehende traditionelle Weidewirtschaft der indigenen Völker zu zerstören und durch ein zentralisiertes System zu ersetzen, das der kommerziellen Viehzucht ähnelt. Dies könnte die Ernährungssicherheit der Indigenen gefährden, da ihre üblichen Wanderungen während Dürreperioden unterbunden werden.

- Es gibt keinerlei überzeugende Beweise dafür, dass der NRT die indigenen Gemeinden ordnungsgemäß über das Projekt informiert hat, geschweige denn ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) eingeholt hat. Informationen über das Projekt wurden nur an eine sehr kleine Anzahl von Personen weitergegeben, in vielen Fällen lange nachdem das Projekt begonnen hatte.

- Infolgedessen wissen nur sehr wenige Menschen vor Ort überhaupt, worum es bei dem Projekt genau geht.

- Es gibt erhebliche Zweifel an der Rechtsgrundlage des Projekts, insbesondere zur Frage, ob der NRT Kohlendioxid aus den betroffenen Gebieten „besitzen“ und verkaufen darf.

- Das Projekt liefert keine glaubwürdigen Argumente für seine „Zusätzlichkeit“, also dafür, dass die vermeintlichen CO2-Einsparungen nicht ohnehin geschehen wären – ein grundlegendes Prinzip für die Erstellung von CO2-Zertifikaten.

© Fiore Longo/Survival

Der Bericht markiert den Start der Kampagne „Blutiges CO2“ von Survival International. Die Kampagne zeigt, wie der Verkauf von Emissionsgutschriften aus Naturschutzgebieten die Finanzierung von Menschenrechtsverletzungen gegen indigene Völker massiv erhöhen könnte, während er nichts zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt.

Der Autor des Berichts, Simon Counsell (ehemaliger Direktor der Rainforest Foundation UK), sagte heute: „Das CO2-Projekt des NRT erfüllt einige der grundlegenden Anforderungen für Projekte zur Klimakompensation nicht, wie z.B. den Nachweis der Zusätzlichkeit, eine ordnungsgemäße Bezugsgröße und die Möglichkeit, die Verlagerung von CO2-Emissionen in andere Gebiete zu messen. Die Mechanismen zur Überwachung der Durchführung und der Auswirkungen des Projekts sind völlig unzureichend. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die CO2-Zertifikate, die im Rahmen des Projekts verkauft werden, tatsächlich eine zusätzliche Speicherung von CO2 in den Böden des Projektes darstellen.“

Die Leiterin von Survivals Kampagne zur Dekolonisierung des Naturschutzes Fiore Longo fügte hinzu: „Nach Jahren von Menschenrechtsverletzungen im Namen des sogenannten ‚Naturschutzes‘, stehlen westliche NGOs nun indigenes Land im Namen des ‚Klimaschutzes‘. Wie dieser Bericht deutlich zeigt, basieren die Projekte des NRT auf demselben kolonialen und rassistischen Irrglauben, der viele große Naturschutzprojekte kennzeichnet: dass indigene Völker an der Umweltzerstörung schuld seien. Die Beweise zeigen jedoch, dass indigene Völker die besten Naturschützer*innen sind. Dieses Projekt ist nicht nur gefährliches Greenwashing, es steht exemplarisch für blutiges CO2: Der NRT macht Geld mit der Zerstörung der Lebensweise derjenigen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind.“

 

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