WWF verletzt indigene Rechte: OECD-Gespräche gescheitert

© Survival

von Stephen Corry

Survival legte im Februar 2016 eine formale Beschwerde ein, um die Naturschutzorganisation WWF davon abzubringen, zur Misshandlung indigener Völker beizutragen. Die Kontaktstelle der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in der Schweiz, wo der WWF seinen Hauptsitz hat, nahm die Beschwerde an. 1 Überraschenderweise war dies das erste Mal, dass eine NGO unter den gleichen Richtlinien wie andere multinationale Unternehmen betrachtet wurde. Dies war ein großer Schritt nach vorne für diejenigen, die glauben, dass auch gemeinnützige Organisationen für negative Konsequenzen ihrer Arbeit verantwortlich gemacht werden sollten.

Die Beschwerde führte Survivals Vorwurf detailliert auf, dass der WWF am Raub und an der Kontrolle des Landes der Baka-„Pygmä*innen“ in Kamerun beteiligt war und dass die Baka in Folge dessen einem katastrophalen Ausmaß von Misshandlungen ausgesetzt sind. Wir sagten, dass der WWF nicht versucht habe, seine eigenen Richtlinien über indigene Völker anzuwenden oder sich an die OECD-Leitsätze zu halten, die dazu dienen sollen, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmensaktivitäten zu verhindern.

Die Leitlinien sind Empfehlungen für multinationale Konzerne, die betonen, dass Unternehmen „im Kontext ihrer eigenen Aktivitäten verhindern [sollten], negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verursachen oder einen Beitrag dazu zu leisten“. Multinationale Unternehmen müssen die Verantwortung für die Konsequenzen ihres Handelns übernehmen und dürfen sich nicht hinter dem Versagen der Regierung verstecken, die Menschenrechte zu wahren. Die bloße Einhaltung der örtlichen Gesetzgebung ist kein Maßstab für jene, die eine moralische Position für sich beanspruchen: Das ist es, was das ganze Konzept der Menschenrechte untermauert und weshalb internationale Regeln und Konventionen notwendig sind.

Die Vorstellung, dass dies den Naturschutz unterstützt, ist Quatsch

Obwohl die WWF-eigene Richtlinie verlangt, dass die Erteilung einer ordnungsgemäßen Zustimmung zu Projekten auf den Gebieten indigener Völker sichergestellt wird und Systeme zur Bewältigung von Problemen etabliert werden, glaubt Survival, dass der WWF dies nicht getan hat.

Survivals Beschwerde umfasste zum einen den Vorwurf, dass der WWF keinen Versuch gemacht hat, die Baka zu konsultieren, als er zusammen mit der kamerunischen Regierung die Wälder des Volkes in Trophäenjagdzonen und Nationalparks aufteilte. Die Baka wurden rausgeschmissen. Auch jetzt berät der WWF nicht mit ihnen darüber, wie diese Gebiete verwaltet werden sollten. Zweitens wies Survival darauf hin, dass der WWF Parkwächter finanziert, die wiederholt Baka misshandelt haben und sie manchmal sogar foltern und töten.

Indigene werden schikaniert, wenn sie es wagen, ihr Land wieder zu betreten, um Nahrung oder Heilpflanzen zu sammeln und zu jagen. Auch außerhalb der Parkgrenzen werden sie misshandelt. Die Vorstellung, dass diese Terror-Herrschaft den Naturschutz unterstützt, ist Quatsch: Einige vom WWF finanzierte Ranger sind selbst Wilderer, und die Baka haben sich ohnehin als bessere Naturschützer als der WWF erwiesen.

Survival betonte, dass der WWF seine eigenen Grundsätze von 1996 sowie die OECD-Leitsätze verletzt hatte. Doch der WWF vertrat die Ansicht, dass die Leitlinien in diesem Fall nicht anwendbar seien und wies die Verantwortung für die versäumte Absicherung der Zustimmung der Baka und dafür, was mit ihrem Gebiet geschah, von sich.

Während des Hin und Her über die Beschwerde versuchte die Schweizer Kontaktstelle, Survival davon abzuhalten, weiter eine Kampagne gegen den WWF zu führen. Man sagte uns, dass man gezwungen sei, den Prozess zu stoppen wenn wir weitermachten (was wir taten). Schließlich einigten wir uns doch auf eine Mediation zwischen Survival und dem WWF, die vom 6. bis 7. Juni 2017 in Bern stattfinden sollte.

Wir fragten uns, wie wahrscheinlich es sei, dass die Schweiz, ein Land, das stolz auf seine Neutralität ist, zu Kritik am WWF bereit wäre. Der WWF ist eine wichtige Organisation mit einem globalen Umsatz von mehreren Hundert Millionen Dollar (sein US-Chef erhält doppelt so viel Gehalt wie der US-Präsident und das internationale Büro in der Schweiz allein hat ein Einkommen von fast 200 Millionen Franken). Um also etwas Nützliches für indigene Völker aus dem Verfahren herauszuholen, reduzierten wir unsere Forderungen an den WWF auf nur einen Punkt: Der WWF muss eine hochrangige Einheit schaffen, um sicherzustellen, dass indigene Völker für Arbeiten auf ihrem Land ihre Zustimmung erteilt haben, um mögliche Probleme vorab zu identifizieren und um Missbrauch zu untersuchen und dagegen vorzugehen. Mit anderen Worten, der WWF sollte eine Stelle haben, um die Einhaltung seiner eigenen Grundsätze zu gewährleisten.

Das anstrengende Ringen bei den Berner Vermittlungsgesprächen fand in der weitgehend intakten mittelalterlichen Hauptstadt der Schweiz statt, die für ihre Bärengraben berühmt war. Die Details sind vertraulich, aber nichts Neues wurde gesagt. Der WWF wiederholte, dass der OECD-Beschwerdeprozess nicht für seine Arbeit in Anspruch genommen werden sollte, und behauptete, dass keiner der Vorwürfe der Baka bewiesen seien. Der WWF erklärte, dass er bereits einen Beschwerdemechanismus hätte, es also keine Notwendigkeit für die neue Stelle gäbe, die Survival forderte.

Tatsächlich aber liegen Survival Aussagen aus erster Hand vor, auch aus dem Inneren des WWF, die bestätigen, dass unsere Vorwürfe nur die Spitze eines Eisbergs sind, der dem WWF seit mindestens 2001 bekannt ist. Der Naturschutzriese hat sogar einen unabhängigen Bericht zu der Angelegenheit in Auftrag gegeben, aber nachdem dieser den Missbrauch bestätigte, dessen Existenz verleugnet.

Der WWF behandelt seine Grundsätze zu indigenen Völkern lediglich als erstrebenswertes Ziel, ungeachtet der Tatsache, dass sie schon seit mehr als zwanzig Jahren existieren. Der WWF behauptet, dass er versucht, es besser zu machen und gibt kein Unrecht zu.

Nach dem Tauziehen in Bern war der nächste Schritt, zu versuchen, ein „gemeinsames Ergebnis“ zu vereinbaren. Trotz der besten Bemühungen eines erfahrenen Mediators erwies sich dies als turbulent. Der WWF versuchte Rechtfertigungen seiner Position unterzubringen, während er die Einwände von Survival ablehnte. Das Ringen dauerte zwei Monate, bis es zum Stillstand an einem Punkt kam: Würde der WWF akzeptieren, dass die Baka der zukünftigen Verwaltung der Schutzgebiete auf ihrem Land zustimmen müssen? Obwohl dies nicht mehr ist, als seine eigene Politik und die OECD-Richtlinien fordern, lehnte der WWF ab.

Es ist nicht verwunderlich. Obwohl Naturschutzorganisationen dafür sorgen sollten, dass die „freie, vorherige und informierte Zustimmung“ derjenigen, deren Gebiete sie kontrollieren wollen, eingeholt wurde, geschieht dies tatsächlich nie. Sie haben Angst davor. Sie wissen, dass die Bindung an diese Zustimmung ihnen Macht aus den Händen nehmen und sie den Einheimischen geben würde, die diese Gebiete seit Generationen bewahrt haben. Trotz vieler Versuche, sich zu verstellen, wissen westliche Naturschützer*innen in Afrika, dass das Erfordernis der lokalen Zustimmung ihre Kontrolle über riesige Gebiete und große Budgets untergraben würde.

Jede Schweigepflicht im Rahmen des OECD-Prozesses ordnet sich unserer Pflicht, indigene Völker über Maßnahmen zu informieren, die auf dem Papier gut aussehen, aber ihre Zukunft bedrohen, unter. Sie wären eindeutig gut beraten, vor der Annahme von Naturschutz-Projekten faire, detaillierte und verbindliche schriftliche Vereinbarungen zu verlangen – mit der notwendigen Zeit und Beratung, um diese sorgfältig zu prüfen.

Sind Bergbauunternehmen weiter als Naturschützer*innen?

Zufälligerweise traf Survival sich im gleichen Zeitraum mit dem Unternehmen Vedanta, gegen das wir schon lange protestieren. Wir unterstützen die Dongria Kondh in Indien gegen den Bauxit-Tagebau des Konzerns. Jetzt, nach Jahren der Abwehr, behauptet Vedanta, dass es sich dem Wandel gebeugt hätte: Der Konzern stimmte zu, dass die Mine nicht ohne die Zustimmung der Dongria Kondh gebaut werden könne, und er akzeptierte, dass diese Zustimmung nicht bevorsteht.

Vedanta hatte den Tagebau aufgegeben, weil die Einheimischen ihn nicht wollten und natürlich, weil sie lautstarke und organisierte nationale und internationale Unterstützung erhalten hatten, um ihren Vorstellungen Gehör zu verleihen. Der Kontrast zur Position des WWF konnte nicht deutlicher sein. Einige Bergbau-Unternehmen akzeptieren heute die Idee, dass sie nicht ohne die Zustimmung der lokalen Bevölkerung arbeiten können; die meisten Naturschutz-Organisationen noch nicht - sie tun nur so als ob.

Sowohl die Bergbau- als auch die Naturschutzindustrie haben eine lange Geschichte des Landraubs, vor allem in Afrika. Wenn man denkt, dass die letztere gerechtfertigt sein könnte, weil das Land später „geschützt“ wird, dann sollte man wissen, dass beide Industrien Zerstörung bringen. Sie vernichten lokale Gemeinden und Menschen, die oft das Land beschützt haben, und durch die kommerziellen Partnerschaften des Naturschutzes mit Holzfällern zerstören auch beide Industrien große Gebiete der lokalen Natur.

Die Parallele kann noch weiter gezeichnet werden: Beide tolerieren oder unterstützen bewaffnete Gruppen, um ihre Interessen zu fördern. Im Falle des angesprochenen Bauxit-Tagebaus wurden sie „Schlägertypen“ genannt und mit geheimer Genehmigung durch die Polizei betrieben. Wer den Tagebau ablehnte, wurde eingeschüchtert und körperlich angegriffen. Die „Rowdys“ der Naturschützer*innen sind die Parkwächter. Sie arbeiten in Absprache mit den Behörden und bedrohen und attackieren die Menschen. 2

Wenn die Unterstützer*innen des Naturschutzes durch diesen Vergleich schockiert sind und dadurch, dass einige Bergbauunternehmen jetzt eine höhere moralische Position einnehmen als viele Naturschutzorganisationen, dann sollten sie das sein. Die Idee, dass man sicherstellen muss, dass die lokalen Bewohner*innen ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung zu jedem geplanten Projekt auf ihrem Land gegeben haben, sickert in der Bergbauindustrie durch, die den Druck nach Veränderung spürt (mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen). Unter den großen Naturschutzorganisationen passiert das einfach nicht.

Während der Monate, in denen wir versucht haben einen gemeinsamen Text auszudiskutieren, um den OECD-Prozess abzuschließen, probierte Survival die verschiedenen WWF-Beschwerdemechanismen aus. 3 Wir reichten Missbrauchsvorwürfe der Baka über Parkwächter ein und eine Beschwerde über einen geplanten neuen Nationalpark (Messok Dja im Kongo), von dem der indigenen Bevölkerung nicht einmal erzählt wurde. Bisher hat keine einzige Beschwerde eine substantielle Antwort erhalten. Das Beste, was uns gesagt wurde, ist, dass der WWF sich einige davon ansehen würde. 4 Auch wenn die Baka keine Repressalien fürchten würden – was sie tun –, wäre es für sie unmöglich, diese vermeintlichen Beschwerdemechanismen zu benutzen.

Der WWF betreibt seine Version des „Festungsnaturschutzes“, der zur Zerstörung des Naturschutzes selbst führen wird

Jedenfalls verlassen wir jetzt die Bärengrube mit der Schlussfolgerung, dass der WWF nicht die Absicht hat, die ordnungsgemäße Zustimmung derer anzustreben – geschweige denn sicherzustellen –, deren Gebiete er gemeinsam mit Regierungen raubt. Der WWF hat nicht vor, der Tatsache ins Gesicht zu sehen, dass seine eigenen Grundsätze für indigene Völker das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt werden: Es handelt sich lediglich um die kuschlige Fassade von Öffentlichkeitsarbeit, mit der der WWF die gegen ihn gerichtete Kritik versucht, abzuweisen.

Der WWF ist auch nicht in der Lage, die Kräfte zu kontrollieren, die er finanziert und auf unglückselige Indigene loslässt, denen ihr Land gestohlen wurde – und er scheint unwillig oder unfähig, es überhaupt zu versuchen. Der WWF arbeitet weiterhin mit zerstörerischen Industrien wie der Holzwirtschaft zusammen. Er ist weiterhin dafür verantwortlich, dass Ranger beschäftigt werden, die Safari-Jagdzonen schützen, wo reiche, ausnahmslos weiße, Menschen (einschließlich eines WWF-Treuhänders) Jagd auf Elefanten machen, während zur gleichen Zeit Indigene geschlagen und misshandelt werden, wenn sie versuchen ihre Familien zu ernähren. Er betreibt weiter seine Version des „Festungsnaturschutzes“, der, wie wir glauben, zur Zerstörung des Naturschutzes selbst führen wird.

Der OECD-Beschwerdeprozess hat sich als unfähig erwiesen, dies zu stoppen. Ein Zyniker könnte denken, dass diejenigen, die mit der Entscheidung über OECD-Verstöße beauftragt sind, erleichtert sein können: Regierungen wollen keine Beschwerden über Flaggschiff-NGOs, die sie selbst finanzieren. Die Giganten im Naturschutz sind daran gewöhnt, in Amerika und Europa als fortschrittlich gefeiert zu werden – die Tatsache, dass sie in großen Teilen des ländlichen Afrikas gehasst und gefürchtet werden, muss unter den Teppich gekehrt werden.

Bestärkt durch eine wachsende Bewegung besorgter Umweltschützer*innen hat sich Survival entschlossen, auf andere Mechanismen zurückzugreifen, um den WWF dazu zu bringen, sich an das Gesetz und seine eigenen Grundsätze zu halten, seinen Missbrauch von indigenen Völkern zu stoppen und damit zu beginnen, für – und nicht gegen – die Umwelt zu arbeiten. Wir machen uns keine Illusionen darüber, wie stark die Naturschutzindustrie sich dagegen wehren wird. Wenn dieser Kampf einfach wäre, wäre er schon vor Jahrzehnten gewonnen worden. Unangemessener Naturschutz hat sich zu einem der Hauptprobleme heutiger indigener Völker entwickelt und er hat das „Leben von Millionen“ zerstört. Er legt auch die Grundlage für seine eigene Zerstörung und große Umweltschäden. Dies ist ein Kampf, dessen Zeit gekommen ist und der jene fesseln wird, die sich um Umwelt und Menschenrechte sorgen.

Wohlhabende Naturschutzorganisationen müssen anfangen, die lokale Bevölkerung zu fragen, ob sie Hilfe von Außerhalb benötigt, um ihre eigenen Gebiete zu schützen, und ihre Ressourcen nur dort anbieten, wo sie gewollt werden. Die Machtstruktur muss umgekehrt werden. Das wäre eine Win-Win-Situation für die Umwelt und die Menschen. Die Verlierer wären Naturschützer, die nicht bereit waren, ihre eigene Macht und ihr Geld aufzugeben und die ihre Herrschaft mit der Behauptung rechtfertigten, dass sie am besten wissen was zu tun ist, trotz aller Beweise, dass sie es wirklich, wirklich nicht wissen.

Hier findest du Survivals Statement zum offiziellen Abschluss der OECD-Verhandlungen.

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